Kommenden Sonntag… „Echte Menschen“ in der ARD. Unter anderem mit mir…

Vor einigen Wochen hat der Regisseur und Dokumentarfilmer Gerhard Schick die Dreharbeiten zum Film „Wo Liebe allein nicht hilft – Wenn Angehörige an Depressionen erkranken.“ abgeschlossen. Am Sonntag ist es nun soweit: Der Film, in dem ich neben Teresa Enke einer der Protagonisten bin, läuft in einer 30minütigen Version in der ARD, und zwar am kommenden Sonntag (17.11.) um 17:30 Uhr. Später wird es noch eine 45minütige Version im WDR geben.

Und für diejenigen, die schon vorher reinschauen möchten: Die ARD hat den Film gerade über ihren YouTube-Kanal auf die Homepage gestellt. ARD goes young and trendy…

https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/echtes-leben/videos/wo-liebe-allein-nicht-hilft-video-100.html

Anlass für den Film ist unter anderem der zehnte Todestag Robert Enkes. Es ist krass, wie die Zeit fliegt. Ich erinnere mich noch daran, dass ich im November 2009 morgens im Café saß, die Süddeutsche Zeitung aufschlug und meinen Augen kaum trauen konnte. Ich erinnere mich noch an die Trauerfeier im Stadion in Hannover, die live in der ARD übertragen wurde und die ich nach einigen Minuten ausstellte. Mir war das zu viel. Und ich erinnere mich an Teresa Enke auf der Pressekonferenz und daran, dass ich dachte: „Was muss diese Frau gerade aushalten! Den Tod des Mannes. Kurz zuvor den Tod der Tochter. Jetzt die Medien.“ Ich war mir damals nicht sicher, bin mir heute nicht sicher, ob die öffentliche Trauerfeier im Stadion von Hannover eine gute Idee war. Die Gefahr von Nachahmungstaten ist bei Suiziden immer gegeben, vor allem bei Suiziden, denen eine große Öffentlichkeit Zuteil wird, weil der Suizid als Exit-Strategie plötzlich denkbarer wird, in den Bereich des Möglichen tritt. Mein bester Freund S. ging im November 2009 in seiner Trauer um Robert Enke, mit dem er in der Jugend Fußball gespielt hatte, auf. Zwei Wochen später stand er selbst an den Bahngleisen und wurde, wie er heute sagt, durch einen ICE, der laut hupend auf dem anderen Gleis aus der Gegenrichtung kam, zurück ins Leben geholt. Er suchte sich Hilfe, war einige Wochen in der Psychiatrie, ging offen mit seiner Depression um und fand nach einem langen Weg zu einem zufriedenen und ausgeglichenen Leben. Heute ist S. mir eine große Hilfe und in vielen Dingen Vorbild.

Wenn ich oben schreibe, dass ich nicht sicher bin, dann meine ich genau das. Ich bin nicht sicher (mal abgesehen davon, dass es mir ohnehin nicht zustünde, ein Urteil zu fällen). Denn auf der anderen Seite lenkten der Tod Robert Enkes und die mediale Aufmerksamkeit den Fokus auf eine Krankheit, die gesellschaftlich zumeist als Schwäche und Charakterfehler gedeutet wurde. Ein offener Umgang mit der Depression war vor zehn Jahren noch weniger möglich als heute. Man verschwieg die Depression, schwieg sie – im Wortsinn – tot. Teresa Enke nutzte mit, wie ich finde, ungeheurer Stärke die Aufmerksamkeit und rief die Robert-Enke-Stiftung ins Leben, um über Herzkrankheiten bei Kindern und Depressionen aufzuklären. Ohne Öffentlichkeit ist Aufklärung nicht möglich.

Seit dem Tod Robert Enkes, seit die Depression ihn getötet hat, hat sich etwas bewegt: Die Zahl diagnostizierter Depressionen steigt. Das ist – so absurd es klingen mag – ein gutes Zeichen. Denn Hausärzt_innen sind sensibler für psychische Erkrankungen geworden und schauen genauer hin. Prominente gehen offen mit ihren Depressionen und werden so zum Vorbild. Es gibt zahlreiche Initiativen und Selbsthilfegruppen, die sich dem Kampf gegen Depressionen verschrieben haben. Es gibt Blogger wie mich, die offen über ihre Depression sprechen, und viele zum Teil gute Ratgeber.

Das heißt nicht, dass alles toll ist. In beruflichen Zusammenhängen über Depressionen zu sprechen, ist immer noch sehr schwer. In der Tagesklinik und in der Rehaklinik riet man uns davon ab, denn oft steht beruflich zu viel auf dem Spiel, weil das Wissen und das Verständnis fehlen. Es fehlt außerdem an allen Ecken und Enden an Psychotherapeut_innen mit Kassenzulassung, denn die Krankenkassen rechnen mit veralteten Zahlen. Viele Patient_innen finden erst nach sechs bis neun Monaten einen Therapieplatz, obwohl sie dringend Hilfe von Profis brauchen. Das kann nicht sein. Es liegt auch an uns, den Betroffenen, für Öffentlichkeit zu sorgen.

Auch deshalb bin ich froh und ein klein wenig stolz, an diesem Projekt teilgenommen zu haben. Gerhard Schick hat, wie ich finde, einen schönen und eindringlichen Film daraus entstehen lassen. Aber macht euch selbst ein Bild.

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